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Bauernhof statt Altersheim

Gebraucht werden, mitarbeiten und viele kleine Aufgaben übernehmen: Immer mehr Senioren wünschen sich ein erfülltes Leben am Bauernhof anstatt im Altersheim. Ein Zukunftsmodell, das immer gefragter wird.

 

Guido Pusch ist Bauer in Marienrachdorf im Westerwald. Gemeinsam mit seiner Frau und seiner Tochter lebt und arbeitet er am Bauernhof, der sich seit 1771 in Familienbesitz befindet. Bis vor ein paar Jahren wohnte auch seine Mutter noch dort. Ein Altersheim kam für sie nicht infrage. Deshalb bauten Pusch und seine Familie das Haus seniorengerecht um, installierten einen Treppenlift und ermöglichten seiner Mutter so den Wunsch, bis zum Schluss daheim zu bleiben.

Aus diesem Wunsch der Mutter wurde nach ihrem Tod eine Geschäftsidee, die dem Trend des Green Care folgt: Heute wohnen 16 Senioren in umgebauten Wohnungen mit auf dem Hof. Pflegepersonal betreut die Frauen und Männer 24 Stunden, Tag und Nacht.

 

Gebraucht werden

Fehlende Aufgaben, wenig Abwechslung und ein neues Umfeld. Diese Faktoren halten sowohl Angehörige als auch betroffene Senioren oft von einem Leben im Altersheim ab. Vor allem Menschen, die ihr Leben lang handwerklich gearbeitet haben, selbst einen Garten pflegen und regelmäßig ihren täglichen Aufgaben nachgehen, können sich oft nicht vorstellen, von einem Moment auf den anderen nichts mehr selbst tun zu müssen.

Genau hier setzen Bauern wie Guido Pusch an: „Bei uns haben die Senioren ihre Aufgaben. Einer mistet den Stall aus, der andere holt die Eier bei den Hühnern, ein weiterer backt Brot. Außerdem liefern die Tiere neben Aufgaben auch Gesprächsthemen. So können die Senioren zum Beispiel den neuen Kälbern Namen geben oder sich von ihrem Alltag auf dem Hof erzählen. Unsere Bewohner werden überall mit einbezogen.“

 

Auch wer Zuhause bereits einen Garten hatte, darf sich hier am Hof verwirklichen. Diejenigen mit Haustieren bringen diese einfach mit auf den Hof. Und das Wichtigste: Jeder ist willkommen, egal ob mit oder ohne Hoferfahrung.

 

Moderne Vorreiter

Holland und Frankreich gelten als Vorreiter dieses Pflegemodells. Immerhin findet man in diesen Ländern bereits mehrere hundert solcher Einrichtungen. In Deutschland zählt man aktuell gerade mal rund 25 Stück. Grund dafür sind hohe Auflagen, hohe Kosten und die Angst vor zu viel Verantwortung. Doch so ein Umstieg bietet auch Chancen: Viele Landwirte können die arbeits- und kostenintensiven Höfe finanziell nur noch schwer stemmen. Teilweise stehen Schuppen und auch kleinere Häuser am Grundstück leer. Genau hier ist das Konzept Green Care eine Möglichkeit, Fläche sinnvoll zu nutzen, auf nachhaltige Landwirtschaft umzusteigen und dabei etwas Gutes zu tun. Laut dem bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten kann das sogenannte Service-Wohnen auch ein neuer Betriebszweig werden und damit die Existenz der Höfe durch ein geregeltes Einkommen zunehmend sichern.

 

Wie funktioniert’s?

Ursprünglich geht der Begriff Green Care zurück auf die Interaktion zwischen Mensch, Tier und Natur. Hier kooperieren aktive Forst- und Landwirtschaftsbetriebe mit Sozialträgern und anderen Experten aus dem Bereich Soziales und Gesundheit.

Solche Einrichtungen sind Alternativen zum klassischen Altersheim und zu ambulanten Pflegediensten. Die Senioren leben hier entweder in einer eigenen kleinen Wohnung oder sogenannten Senioren-WGs. Beim Aufenthalt unterscheidet man grundsätzlich zwischen vier Pflegeformen. Beim Servicewohnen mietet die Person eine getrennte Wohneinheit am Hof und kann Zusatzangebote und Pflegeleistungen zusätzlich wählen. Beim Seniorenwohnen leben selbstständige Menschen ebenfalls in einem Mietverhältnis auf dem Hof, haben aber keinen Anspruch auf Service- und Pflegeleistungen. Die Wohngemeinschaft mit Betreuungsangeboten beschreibt die Vermietung von einzelnen Zimmern in einer Wohngemeinschaft mit Gemeinschaftsräumen. BewohnerInnen wählen ihre Betreuungsleistungen selbst. Die Stationäre Pflegeeinrichtung bietet das Komplettpaket für hilfsbedürftige Menschen. Die Senioren werden hierbei vom Fachpersonal betreut.

Wer sich noch nicht festlegen möchte, kann auf verschiedenen Höfen erst einmal eine Art Ferien verbringen oder sich für eine tageweise Betreuung anmelden.

 

 

 

Bei Familie Pusch kümmern sich ausgebildete Pflegekräfte in Schichten um die Senioren und teilen sich so die 24-Stunden-Betreuung. Das Wohnen allein kostet rund 1.100 Euro, mit Pflege 1.600 Euro. Die Krankenkasse bezuschusst dieses System, zusätzlich mit 200 Euro pro Monat. Welches Angebot für wen infrage kommt, muss individuell und auch ortsgebunden verhandelt werden. In der Regel verwenden die Bewohner für die Miete ihr eigenes Kapital. In manchen Fällen wird diese auch von der Sozialversicherung bezuschusst. Unabhängig vom pflegegrad erhalten diese auch Sachleistungen von der jeweiligen Pflegeversicherung.